Deutsche Gesellschaft der Mitglieder der Französischen Ehrenlegion und des Französischen Nationalen Verdienstordens e.V.
KAMINGESPRÄCH AM 28. juni 2019
in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin mit Elmar Brok und I.E. Anne-Marie Descôtes
Das erste Kamingespräch unserer Gesellschaft in diesem Jahr fand am 28.06.2019 in den Räumlichkeiten der DGAP statt und widmete sich der aktuellen Situation Europas samt einer Nachlese der jüngsten Europawahl. Zu diesem Anlass durften wir den langjährigen Abgeordneten des Europäischen Parlaments, Elmar Brok, sowie die französische Botschafterin, I.E. Anne-Marie Descôtes begrüßen.
I.E. Anne-Marie Descôtes, Französische Botschafterin und Elmar Brok, Abgeordneter des Europäischen Parlaments
Nach der Begrüßung durch Präsidentin Dr. Eva-Maria Kabisch erinnerte Herr Brok in seinem engagierten Beitrag zunächst an die „Erfolgsgeschichte“ der Europäischen Union – von der „revolutionären“ Entwicklung des Binnenmarktes, über die geographische Ausweitung zu einer (fast) gesamteuropäischen Union, bis hin zur Währungsunion und vielen gemeisterten Herausforderungen wie zum Beispiel der Finanzkrise 2008. In besonderem Maße ging der Referent dabei auf die historisch zunehmend stärker gewordene Rolle des Europäischen Parlamentes ein. So sei vor allem das Parlament mit der Bereitschaft zu Mehrheitsentscheidungen ein Treiber für entscheidende Integrationsschritte und einer fortlaufenden Demokratisierung auf europäischer Ebene gewesen. Daraufhin spannte der Referent den Bogen zu aktuellen Herausforderungen und machte sich vor dem Hintergrund der laufenden Personaldebatten und der Besetzung der Spitzenpositionen nach der der Europawahl für eine gewichtige Rolle des Europäischen Parlamentes stark. Er warnte davor, anstelle des Spitzenkandidatenprinzips für die Auswahl des Kommissionspräsidenten auf „Hinterzimmer-Deals“ von Führungseliten zu setzen, da so ein Glaubwürdigkeits- und Legitimitätsverlust für die Europäischen Union und des Parlamentes drohe. Gleichzeitig mahnte Herr Brok, dass die EU nach vorne blicken und weitere Reformen in Angriff nehmen müsse, sei es im Bereich der gemeinsamen Rüstung, beim Klimaschutz, einem Ausgleich-Mechanismus im Binnenmarkt oder der zukünftigen Gestaltung des EU-Haushalts. Die eher bremsende Reaktion der deutschen Regierung auf Vorschläge des französischen Präsidenten Macron sei dabei kein hilfreiches Signal für Reformbestrebungen auf EU-Ebene gewesen.
In der Folge bewertete auch Botschafterin Descôtes die europäische Entwicklung als Erfolgsmodell und hob hervor, dass bei der jüngsten Europawahl entgegen vieler Befürchtungen und begleitet von einer hohen Beteiligung sehr pro-europäisch gewählt wurde. Jedoch hätten sich mit der Wahl die politische Landschaft generell, aber auch konkret die Mehrheitsverhältnisse im Parlament deutlich verändert, was die Entscheidung über Spitzenämter und die zukünftige Aufstellung der EU erschwere. So sei das Prinzip der Spitzenkandidaten beispielsweise in vielen Staaten der EU nicht selbstverständlich und umstritten, so z. B. in Frankreich. Botschafterin Descôtes plädierte daher für eine „globale“ Lösung, wobei nicht starr am Spitzenkandidatenprinzip festgehalten werden solle, sondern unter Einbeziehung aller Institutionen auf diplomatischem Wege der am besten geeignete Kandidat gefunden werden solle.
Aus diesen durchaus kontroversen Beiträgen ergab sich ein sehr lebhafter Austausch, wie Europa nach dieser Wahl mit neuen Projekten die grundsätzlich positive Stimmung fortführen und neu stimulieren könne. Eine zentrale Rolle bei zukünftigen Reformen und Projekten komme dabei weiterhin dem deutsch-französischen „Tandem“ zu, es sei aber für die Zukunft der EU wichtiger denn je, dass dieses als ein „Prozess unter Freunden“ unter Einbeziehung aller Mitgliedsstaaten gelebt werden müsse. Dabei sollten konkrete Projekte, Themen und Inhalte, die in möglichst großer Nähe mit Europas Bürgerinnen und Bürgern umgesetzt werden, im Vordergrund stehen. Die Bedeutung des Europäischen Parlamentes, eine engagierte deutsche Europapolitik und die Notwendigkeit von Mehrheitsentscheidungen wurde hervorgehoben.
Diese hochgradig aktuellen Aspekte zur europäischen Politik wurden beim anschließenden Umtrunk anregend und engagiert weiterverfolgt.